Zungenband Kleines Band - große Wirkung
27. November 2024Das Zungenband ist ein kleines Band, welches gut versteckt unterhalb der Zunge liegt. Wenn es zu kurz ist, hat das einen oft unterschätzten negativen Einfluss auf die Kiefer- und Gesichtsentwicklung.
Die Auswirkungen eines zu kurzen Zungenbandes
Die Auswirkungen eines zu kurzen Zungenbandes können sich schon direkt nach der Geburt bemerkbar machen. Denn wird die Zunge in Ihrer Funktion durch ein verkürztes Zungenband eingeschränkt, kann insbesondere die Nahrungsaufnahme in Form des Stillens sowohl für die Mutter als auch für das Kind zu einer großen Herausforderung werden. Da das Saugen an der Brust der Mutter an sich schon einen großen aber wichtigen Kraftakt für einen Säugling bedeutet, wird das Saugen bei einer eingeschränkten Zungenmotorik nahezu unmöglich.
Zudem kommen Säuglinge mit einer angeborenen Unterkieferrücklage auf die Welt. Diese kann durch ein verkürztes Zungenband weiter verstärkt werden. Denn primär das Stillen fördert in den ersten Monaten nach der Geburt das Wachstum des Unterkiefers nach vorn. Ist das Saugen an der Brust jedoch aufgrund eines verkürzten Zungenbandes nicht möglich oder stark eingeschränkt, schwächt sich der gewünschte Wachstumsimpuls ab.
Aber nicht nur aktiv beim Stillen bzw. Saugen sondern auch passiv in Ruhe hat die Zunge eine wichtige Funktion in der Kiefer-/ Gesichtsentwicklung. Schon nach der Geburt sollten die Lippen eines Säuglings in Ruhe geschlossen sein und die Zunge am Gaumen liegen. Diese dann ausgeführte sogenannte „Zungenruhelage“ ist der Wachstumsmotor den Oberkiefer, d.h. nur so wächst der Oberkiefer in die Breite und Länge und bietet so später genügend Platz für alle Zähne. Auch sollte man nicht vergessen, dass der Oberkiefer die Basis für den darüberliegenden Nasenraum ist, also großer Oberkiefer – große Nasenbasis – gute Atemmöglichkeit. Ein zu kurzes Zungenband behindert somit neben dem angemessenen Saugen auch die korrekte Zungenruhelage und indirekt ein regelrechtes Wachstum des Oberkiefers und der Nasenbasis.
Eine weitere Folge der fehlerhaften Zungenruhelage ist eine offene Mundhaltung einhergehend mit einer erworbenen Mundatmung. Verhindert das verkürzte Zungenband, dass die Zunge in Ruhe an den Gaumen gelangt, kann der gewünschte Unterdruck, der den Mundraum geschlossen hält, nicht entstehen. Die Folge ist eine offene Mundhaltung mit einer tiefen Zungenruhelage im Unterkiefer sowie die erworbene Mundatmung.
Da der Mensch jedoch als „Nasenatmer“ geboren wird, hat dies weitere negative Auswirkungen (z.B. häufige Atemwegsinfektionen) auf die Entwicklung eines Kindes.
Neben der Nahrungsaufnahme, der Kiefer- und Gesichtsentwicklung sowie der Atmung hat ein verkürztes Zungenband auch Auswirkungen auf die Zungenmotorik. Diese ist besonders innerhalb der Sprachentwicklung von großer Bedeutung. Eine verzögerte Sprachentwicklung sowie Schwierigkeiten bei der Lautbildung können Folgen und Anzeichen eines verkürzten Zungenbandes sein.
Da sich häufig jedoch nur sehr stark verkürzte Zungenbänder beim Stillen und Saugen bemerkbar machen, bleiben viele verkürzte Zungenbänder unerkannt. Schnell „kompensiert“ der Körper die Einschränkung der Zunge; der Mundraum weiß ja nicht, wie es sich „normal“ anfühlen sollte. Kompensationen können sein: eine offene Mundhaltung, Schmatzen beim Kauen, Zahn- bzw. Kieferfehlstellungen etc.
Schon leicht verkürzte Zungenbänder erschweren viele Funktionen der Zunge und haben somit Auswirkungen auf die oben genannten Entwicklungen. Die „große Wirkung“ dieses „kleinen Bandes“ verdeutlicht, weshalb eine möglichst frühzeitige Diagnostik und Therapie von großer Bedeutung sind. Denn wird ein verkürztes Zungenband frühzeitig diagnostiziert, kann die Therapie rechtzeitig eingeleitet werden und ggf. Fehlwachstum vermieden werden.
Therapie eines verkürzten Zungenbandes
Die Therapie eines verkürzten Zungenbandes ist je nach Schweregrad unterschiedlich. Wichtig ist, dass jede Therapieoption durch eine myofunktionelle Therapie begleitet werden sollte. Handelt es sich um ein moderat verkürztes Zungenband mit entsprechender Beschaffenheit, können Dehn- bzw. Koordinationsübungen im Rahmen der myofunktionellen Therapie schon erfolgversprechend sein.
Bei stark verkürzten und aufgrund anatomischer Gegebenheiten nicht zu dehnenden Zungenbändern sollte das Zungenband chirurgisch gelöst werden. Wichtig ist, dass sowohl vor als auch nach diesem kleinen Eingriff mit großer Wirkung eine begleitende myofunktionelle Therapie stattfindet. Warum? Die Zunge muss lernen, ihre neu gewonnene „Freiheit“ zu nutzen und die Wundränder müssen gedehnt werden, damit sie nicht narbig verkürzt zusammenwachsen.
Die nun mögliche mühelose, regelrechte Zungenruhelage am Gaumen kann endlich ein regelrechtes Kiefer- und Gesichtsentwicklung ermöglichen.
Um dem „kleinen verkürzten Band“ seine „große negative Wirkung“ zu nehmen, sind besonders Sie als Eltern gefragt. Denn viele Anzeichen für ein kurzes Zungenband können Ihnen auch im Alltag mit Ihrem Kind auffallen. Zum Beispiel:
Schwierigkeiten beim Stillen und Saugen, offene Mundhaltung, Mundatmung, Schnarchen, unruhiger Schlaf, Schmatzen beim Essen, starke Engstand der Zähne im Oberkiefer, die Zungenspitze kann den Gaumen nur schwer erreichen, eine verzögerte Sprachentwicklung, Schwierigkeiten bei der Lautbildung…
Prävention oder hier myofunktionelle Kieferorthopädie (= mykie®) bedeutet, Muskelkräfte richtig wirken zu lassen. Die Zunge ist ein großer, wichtiger Muskel für die Entwicklung des gesamten Mittelgesichtes. Lassen wir die Zunge ihren „Job“ tun.
Weitere Infos bietet das Buch: Das restriktive Zungenband, Quintessenz Verlag
Quellen:
- Dr. med. dent. Andrea Freudenberg, Fachzahnärztin für Kieferorthopädie
- Gesundheitsportal: medondo.health